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Braune Europapläne auf St. Galler Boden

Deutsche Rechtsextremisten publizierten ein Bild, aufgenommen bei einem Vortragsabend der Europäischen Aktion. Die St. Galler Kantonspolizei meinte, es handle sich um "Nationalkonservative".

Im Hintergrund hängt die Fahne der Europäischen Aktion (EA), die ein "Europa der Vaterländer" errichten will. Im Klartext: Sie will einen diktatorischen Staat gemäss nationalsozialistischen Vorstellungen, den alle Einwohner und Einwohnerinnen aussereuropäischer Herkunft verlassen müssten.

Bekannte Rechtsextreme
Vor der Fahne stehen fünf Männer. Die drei Herren in der Bildmitte sind bekannte rechtsextreme Exponenten: Im Zentrum Adrian Segessenmann aus dem Kanton Bern, Vizepräsident der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Rechts neben ihm der 80jährige österreichische Autor Richard Melisch, ein bei deutschsprachigen Rechtsextremisten beliebter Redner. Links neben dem Eidgenossen der deutsche Bundesbürger Pierre Dornbrach, Schulungsleiter der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD).
Eingerahmt werden die Politaktivisten von zwei jungen Männern aus dem Fürstentum Liechtenstein. Einer von ihnen, Oliver Hasler, hat im September 2012 im Elsass am "Europafest" als "Landesleiter Liechtenstein" eine Rede gehalten. Nach einem Pressebericht und politischem Druck hat er damals seinen Rückzug angekündigt.

St. Galler Polizei hatte Kenntnis
Das Foto ins Internet gestellt haben die Jungen Nationaldemokraten; aufgenommen wurde es am ersten Aprilsamstag. Eine "JN-Delegation" sei, so die deutschen Rechtsextremisten, am 4. April zu einer Veranstaltung der EA Liechtenstein gefahren, um dort über "Europa als Lebensgemeinschaft" zu sprechen. In Liechtenstein, "dem wunderschönen Alpenland", seien sie zuerst "umher geführt" worden. Die deutschen Recken schwärmten besonders von den Bauten in Vaduz und "dem europäischen Geist, der hinter den Fassaden" stecke.

Nüchterner verlief anderntags die EA-"Vortragsveranstaltung". Sie habe im "St. Galler Oberland" stattgefunden, erklärt auf Anfrage Gian Andrea Rezzoli, Mediensprecher der St. Galler Kantonspolizei. Genaueres will er nicht sagen. Da keine strafrechtliche Relevanz bestand, habe die Polizei den Anlass nicht weiter beobachtet. Sie habe aber im Vorfeld von der Versammlung "Nationalkonservativer" Kenntnis bekommen.

Die St. Galler Polizei folgt den Vorgaben des Nachrichtendienstes des Bundes NDB. Nur: Die EA ist alles andere als eine "nationalkonservative" Organisation. Wie auch der Veranstaltungsbericht der EA Liechtenstein belegt: Dieser lobt neonazistisch den "Gedanken eines gesamteuropäischen Kampfes", der den "unzähligen Freiwilligen in den Reihen der Waffen-SS glühendes Ideal" gewesen sei.

"Europäische Völker" in Gefahr
Auch die Redner propagierten nicht Nationalismus, sondern den europäischen Verbund der Rechtsextremisten. Der JN-Schulungsleiter Dornbrach pries den "grenzüberschreitenden Befreiungskampf der europäischen Völker". Und der zweite Referent Richard Melisch behauptete, dass die USA "auf dem Weg in die 3. Welt" seien. Er konstatierte "eine schleichende Drangsalierung der weissen Bevölkerungsanteile". Die EA Liechtenstein zieht daraus den rassistischen Schluss: So wie die "weissen Amerikaner" bald in der "Bedeutungslosigkeit der Rassenvermischung" verschwänden, so würden "die europäischen Völker" Gefahr laufen, "im Chaos dieser sich bewegenden Völker- und Rassenmassen gänzlich zu verschwinden".

Nach den Reden plante man noch Taten. "Führende Mitglieder der EA Liechtenstein" und die JN seien, so der JN-Bericht, zusammengesessen mit Österreichern, dem Pnos-Vertreter Segessenmann und Kroaten der "Partei des Rechts" (HCSP). Man sei sich einig, dass es "weitere Aktionen und Zusammenkünfte" geben müsse. Rechtsextremisten taten sich bis anhin schwer mit internationaler Zusammenarbeit. Auch wenn die EA-Veranstaltung in der Ostschweiz die Frucht eines JN-Anlasses war. Zu Frühlingsbeginn 2014 hatte die deutsche Jungpartei in Kirchheim (Thüringen) einen "Europakongress" durchgeführt, als Teil des Wahlkampfes für das Europäische Parlament. Mit dabei auch die EA und die Pnos; aus der Schweiz war nebst Segessenmann auch der frühere Basler Pnos-Präsident Philippe Eglin angereist.

"Europafest" 2011 verlegt
Mehrmals hat die EA Liechtenstein in den vergangenen Jahren versucht, einen Saal für eine Veranstaltung zu mieten. Im Fürstentum jedes Mal vergeblich. In der Schweiz war sie für einmal erfolgreich. Weniger Erfolg hatte die EA im September 2011. Sie kündigte an, ihr jährliches "Europafest" im "Raum St. Gallen" abzuhalten, was zu Medienwirbel und am Treffpunkt in Diepoldsau zu einer Gegendemonstration führte. Die Teilnehmer, angereist aus mehreren europäischen Ländern, versammelten sich dann in einem Saal in Einsiedeln, bis die Schwyzer Kantonspolizei die Versammlung auflöste. Der Holocaust-Leugner und EA-Mitbegründer Bernhard Schaub musste den Schluss seiner Ansprache auf dem Schlachtgelände von Morgarten improvisieren.

Hans Stutz
St. Galler Tagblatt, 29. April 2014
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