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Gutmeinende gefährden Strafnorm

Anzeigenerstatter sollten wissen, dass nicht jede rassistische Aussage strafbar ist.

25. Januar 2014

Der Fernsehspot soll Satire sein. Wer ihn ansieht, muss leiden. Im Jahresrückblick „Endspott“ mimt Birgit Steinegger schwarz angemalt eine Frau Nogumi. Der Auftritt demonstriert, warum Blackfacing in den USA als rassistisch gilt, selbst wenn der Sketch auch die devote Verkaufsgier eines Boutique-Geschäftsführers und einer Verkäuferin persifliert. Steineggers Figur “Frau Nogumi“ bestärkt die rassistische Vorstellung von dümmlichen Menschen schwarzer Hautfarbe, kaum fähig einen vernünftigen Satz zu formulieren. Der Sketch soll – so die Rechtfertigung – Oprah Winfrey parodieren. Eine Frau, die als schlagfertig gilt.

Rassismus sei, so definiert der tunesisch/französische Forscher Albert Memmi, „die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“ Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät, auch Sozialdemokrat, erklärt alle Italiener zu Faulpelzen. Die Rechtfertigung von Privilegien oder Aggressionen schwimmt beim Sozialdemokraten ungefiltert mit. Faulen Italienern darf man ja getrost einen minderen Lohn auszahlen, oder anderen Verschlechterungen aussetzen. (Sie zum Beispiel in billig gebauten, doch teuer vermieteten Baracken hausen lassen, wie in den 1960er/1970er-Jahren gang und gäbe.)

 Opfer-Täter-Umkehr!
Massimo Rocchi: Opfer-Täter-Umkehr!

Auch Komiker können Täter sein
Nein, nein, sagt Massimo Rocchi, er sei kein Antisemit. Was nicht verhindert, dass er antisemitische Vorstellungen abruft, die sich historisch in der Gesellschaft abgelagert haben. Er behauptet, dass «der Jude» nicht einfach nur lustig sein könne. Er meint auch, dass der jüdische Humor «immer Zinsen» einbringen müsse. Er bespielt damit das antisemitischen Zerrbild des „jüdischen Bankiers“ oder des „jüdischen Kapitalismus“. Rocchi setzt noch ein Bild drauf, ebenfalls beliebt bei Antisemiten. Er evoziert den Juden, der sich für „auserwählt“ hält: „Der Jude macht auf Humor, um zu zeigen, dass er Jude ist und dass er Humor hat und dass er nahe bei Gott ist.“ Und er, Rocchi, ist natürlich ganz anders: „Der Komiker will nicht gewinnen. Der Komiker ist Opfer. Der Komiker bleibt Opfer.“ Und wer ist Täter? Offenbar „der Jude“- und ein Täter gehört doch bestraft, oder etwa nicht?

Unüberlegte Strafanzeigen
Nun haben mehrere Zeitgenossen gegen Tschäppät, Steinegger und Rocchi Strafanzeigen wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm eingereicht. Von Akteuren der Zivilgesellschaft dürfte man erwarten, dass sie die Erfolgschancen ihres Tuns vorher abklären. Es braucht ja nicht viel Arbeit. In seinem Kommentar hält der Strafrechtler Marcel Alexander Niggli fest, dass die Rassismus-Strafnorm die Menschenwürde schütze und eine Verletzung dann vorliege, „wenn jemandem die Gleichberechtigung als menschliches Wesen abgesprochen“ werde. Einer Einschätzung, der die Schweizer Gerichte in den vergangenen Jahren gefolgt sind, nachkontrollierbar in der Fallsammlung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR. Fazit: Weder der fleissige Tschäppät, noch der Komiker-als-Opfer Rocchi, noch die ach so dümmlich-lustige Steinegger stellen die Menschenwürde ihrer Zielscheiben grundsätzlich in Frage. Die Anzeigen tragen allerdings dazu bei, die Rassismus-Strafnorm zu diskreditieren, der Beifall von SVP und „Weltwoche“ ist den Anzeigenerstattern sicher.