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Recht auf Vergessen? Oder Recht auf Beschönigung?

Die NLZ befürtwortet ein „Recht auf Vergessen“. Daran ist nicht auszusetzen, solange es nicht zu einem Recht auf Beschönigung verkommt. Ein aktuelles Beispiel.

17. Januar 2011

Vor kurzem erschien in der NLZ (10.01.2011) ein ausführlicher Text, überschrieben „Metal-Musiker bauen Modelleisenbahn“. Zwei Black Metal-Musiker (Max Estermann und Fabian Albisser), die früher in den Bands Forsth und später Morgart gespielt haben, würden nun in ihrem Proberaum und Aufnahmestudio eine Modelleisenbahn bauen. Soweit so nebensächlich. Doch eine Passage verwundert: „Obwohl der Black-Metal-Szene Rechtsextremismus und Satanismus nachgesagt werden, haben sich Estermann und Albisser stets von politischen oder religiösen Inhalten distanziert. ‚Wir waren ganz normale Leute, dies hat uns auch zum Erfolg verholfen’, sagt Estermann.“



Das ist offensichtlich unzutreffend. Ich schreibe einen Leserbrief: „Es ist leider so, dass eine kleine Minderheit der Black-Metal-Szene nationalsozialistische und/oder rassistische Inhalte verbreitete und noch immer verbreitet. Zu dieser Minderheit gehörte Ende der 1990er-Jahre auch die Gruppe Morgart. In einem Interview, erschienen in einem Szene-Blättchen, erklärte damals einer der Morgart-Musiker unter dem Pseudonym “Eidgenosse Gonahr”: “Wir sind den Ideen und dem Konzept des dritten Reiches nicht abgeneigt.” Und auf eine weitere Frage antwortet er martialisch: “Es ist ja schon schlimm genug, dass man die Armee zur Grenze schicken muss, um den illegalen Einwanderern Einhalt zu gebieten. Meiner Meinung nach sollte man sie dort gleich abschiessen dürfen. Dann hätten wir auch weniger Probleme.” Zwar lassen sich ähnliche Äusserungen der Gruppe Morgart in späteren Jahren nicht mehr nachweisen, aber Verdrängen sollten die Morgart-Musiker ihre Vergangenheit trotzdem nicht. Auch nicht in der Öffentlichkeit.“

Tages später erhalte ich von NLZ-Forumredaktorin die Antwort, man habe sich entschieden, meine Zuschrift nicht zu veröffentlichen. Einer der Musiker habe auf Anfrage erklärt, die erwähnten Aussagen seien ihnen in den Mund gelegt worden. Es stehe, so die NLZ- Forumsbetreuerin, Aussage gegen Aussage und deshalb plädiere sie für „ein Recht auf Vergessen“. An einem „Recht auf Vergessen“ ist nichts auszusetzen. Nur: Die beiden Musiker sind mit dem Thema selber in die Öffentlichkeit getreten – sie müssen sich nun auch der Widerrede aussetzen. Nebenbei erwähnt die NLZ-Forumsbetreuerin am Telefon dann auch noch, dass heute einer der beiden Musiker bei der Polizei arbeite. In der Tat, eine bemerkenswerte Karriere: Vom NS-Black-Metal-Musiker zum „Kantonsangestellten Kapo LU“.