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Sexarbeitende: Stützen statt registrieren/kontrollieren!

Der Kantonsrat hat heute über das Gesetz über Sexarbeit beraten. Mein Votum im Rat.

14. September 2015

In der Botschaft hält der Regierungsrat zu Recht fest, dass Sexarbeit oft geprägt sei von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung und dass Sexarbeitende aufgrund ihrer rechtlichen und sozialen Stellung oft Gewalt sowie gesundheitlichen Risiken ausgesetzt seien.

Auch die Grüne Fraktion tritt dafür ein

  • dass Sexarbeit ausdrücklich „als gewerbsmässige Dienstleistung“ angesehen wird
  • dass eine Fachkommission eingesetzt wird, welche die Behörden berät und die Präventions- Informations- und Schutzmassnahmen und die Umsetzung des Gesetzes begleitet und koordiniert
  • dass eine Anlaufstelle geschaffen wird, damit ein einfacher Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten möglich ist.
  • dass „gute Rahmenbedingungen für alle Beteiligten im Bereich der Sexarbeit“ gesetzlich vorgeschrieben werden.

Das ist der Anspruch, den das Gesetz an sich formuliert und den der vorliegende Vorschlag nicht einlöst. Nicht nur deshalb, aber auch: Die letzte Zweckbestimmung hat die vorberatende Kommission bereits wieder gestrichen und damit die einzige Bestimmung rausgestrichen, in denen auch die Nachfragenden von Sexarbeit – die vielen Freier, die wenigen Freierinnen – miteinbezogen werden.

Wir können offenlassen, ob nun Landwirtschaft oder Sexarbeit das älteste Gewerbe der Menschheit ist. Klar ist hingegen, Sexarbeit erzielt – ohne staatliche Subventionen –

  • erstens einen grossen Umsatz und
  • zweitens dominiert bei politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit Sexarbeit häufig die Doppelbödigkeit.

Diese Doppelbödigkeit finden wir auch im vorliegenden Vorschlag. Anstatt, dass die Sexarbeitenden – die Verletzlichsten im Sexgewerbe – geschützt und gestärkt werden, werden sie die Opfer von Misstrauen und ausgeprägter Kontrolle, die ihre Stellung weiter schwächen wird.

  • Erstens, Sexarbeitende müssen sich registrieren lassen. Für die meisten Sexarbeitenden sogar gleich zweimal, beide Male verbunden mit der Bezahlung von Gebühren. Die meisten Sexarbeitenden stammen zur Zeit aus europäischen Ländern und müssen sich – schon heute – beim wira registrieren lassen. Mit diesem Gesetz müssten sie sich – gemäss der vorliegenden Verordnung – auch noch beim Amt für Migration ins Register für Sexarbeit einschreiben. Dorthin müssen auch jene Sexarbeitende mit Schweizer Staatsangehörigkeit oder jene Frauen oder Frauen ohne Schweizer Pass, die jedoch bereits eine Niederlassungsbewilligung haben und ansonsten frei über ihre berufliche Tätigkeit entscheiden können.
  • Zweitens weil Sexarbeitende dauernd kontrolliert werden können, da sie die Registrierungsbescheinung dauernd mitzuführen haben. Auch die Gelegenheits-Sexarbeitenden, beispielsweise wenn sie ihr Kinder vom Kindergarten abholen werden.
  • Drittens weil nochmals kontrolliert werden soll und dies nach den Vorgaben der vorberatenden Kommission, in dem bei den Indoor-Betrieben keine Ausnahmeregelung eingeführt, so dass auch alleinarbeitende Sexarbeitende, Männer und Frauen, die dieser Tätigkeit in ihrer Wohnung nachgehen müssen, sich auch noch registrieren lassen müssen.

Der vorliegende Entwurf ist also ein Kontrollgesetz.
Eine Kontrolle, die vorwiegend gegen die Schwächsten im Geschäftsbereich „Sexarbeit“ gerichtet ist. Und dass es anders geht, beweist der Kanton Bern und sein Gesetz über das Prostitutionsgewerbe (PGG) vom Sommer 2012. Es sieht weder Kontroll- noch Registrierungspflicht vor, hingegen – mit Ausnahmen – eine Bewilligungspflicht zum Führen von Betrieben im Prostitutionsgewerbe wie Salons oder Escort-Services. Zuständig für Betriebsbewilligungen sind die Regierungsstatthalter. Es ist ein schlankes Gesetz, das wenig Kontrollaufwand nach sich zieht. Das ist das Beispiel, dem der Kanton Luzern folgen könnte.