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"Gefängnis" für Schutzsuchende

Ob geplant inszeniert oder spontan aufgerührt, die SVP-Kampagne gegen Asylbewerber, Vorläufig Aufgenommene und Menschen mit Schutzstatus S verläuft zielstrebig wie der Angriff einer eingespielten Fussballmannschaft. Schien es für kurze Zeit.

Zwei Gemeinderäte von Seegräben ZH, darunter der SVP-Finanzvorsteher, kündigen einem Mieter die gemeindeeigene Wohnung, die Gemeinde sei «verpflichtet Flüchtlinge und Asylsuchende unterzubringen». Kurz darauf, verbreitet der Gemeinderat von Windisch AG eine Medienmitteilung, unterzeichnet von der SVP-Gemeindepräsidentin Heidi Ammon: «Um die Asylsuchenden unterbringen zu können, hat der Eigentümer der Liegenschaften die Mietverträge der bisherigen 49 Mieterinnen und Mieter per Ende Juni gekündigt».

Wie zu erwarten: Die Fans der Sünnelipartei pfeifen und johlen unverzüglich Zeter und Vertreibung. Innert Stunden stehen Rechtsextremisten der Jungen Tat vor dem Haus in der Zürcher Kleingemeinde, mit rosa Rauchpetarden und Transparent: «Abschieben schafft Wohnraum». Innert Stunden lanciert die JSVP des Kantons Aargau eine Petition, die Pläne für eine neue Asylunterkunft in Windisch seien sofort zu stoppen. Innert kurzer Zeit unterschreiben knapp sechstausend Personen.

Kurz darauf die Auflösung: Die Gemeinde Seegräben muss keine weiteren Asylbewerber aufnehmen. Rechnungsfehler in der Verwaltung. Und in Windisch erklärt der Hausbesitzer: Gekündigt wurde «einzig und alleine», weil «die bestehende Liegenschaft ihren baulichen Lebenszyklus erreicht» habe und deshalb ein Neubau geplant sei. Nichtsdestotrotz: Tage später stehen Junge-Tat-Aktivisten in Aarau: Das Regierungsgebäude werde «nun als Remigrationszentrum» verwendet. Wunschvorstellung der Rechtsextremen: Die massenhafte Ausschaffung unerwünschter Ausländerinnen und Ausländer.

Fazit: SVP-Exponenten machen Schutzsuchende für unerwünschte Entscheide verantwortlich. Die Kampagne führt zu markiger Ablehnung der Asylpolitik und zu Kundgebungen von Rechtsextremisten. Auch nach dem Eingeständnis unzutreffender Kündigungsbegründungen führen SVP-ler die Kampagne fort. Auch in der Westschweiz.

Und zum Schluss noch dies: Will Nationalrat Andreas Glarner die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz einsperren? Auf seinem Facebook-Kanal verbreitet er ein SVP-Inserat «Endlich Grenzen bewachen, statt Mieter rausschmeissen». Es zeigt die Schweiz, eng bewohnt von weissen (Minderheit) und farbigen (Mehrheit) Menschen. Das Land umgeben von einer hohen Mauer, als sei das Land ein Gefängnis.

Hans Stutz
Tachles, 10. März 2023
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