Rund 2000 Zuschauern besuchten Ende November 2012 in der Churer Stadthalle eine Tagung der Anti-Zensur-Koalition AZK, für die der Prediger Ivo Sasek aus dem appenzellischen Walzenhausen verantwortlich zeichnet. Stolz, bereits rechtskräftig verurteilt wegen Holocaust-Leugnung, behauptete in ihrem Vortrag, dass für den Völkermord an den Juden "die Feststellungen über die Tatorte, Tötungsmethoden, Anzahl der Toten, Tatzeiträume, Täter, Leichen oder Spuren eines Mordes" fehlen würden.
Auch gäbe es keine Beweise für eine nationalsozialistische "Absicht, die Judenheit ganz oder teilweise zu zerstören". Die AZK verbreitete später auf ihrer Website eine Videoaufnahme des Vortrages. Nach ersten Medienberichten erstattete ein Berner Anwalt Strafanzeige gegen die Rednerin und den Veranstalter.
Prozess in München
Das Verfahren gegen Stolz traten die Bündner Strafverfolgungsbehörden an die zuständigen Instanzen in Deutschland ab. Nach einem mehrtägigen Prozess verurteilte nun das Landgericht München am Mittwoch vergangener Woche Sylvia Stolz wegen Volksverhetzung und Missbrauch von Titeln zu 20 Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Stolz hatte in einer Rechtsschrift als "Rechtsanwältin" firmiert, obwohl ihr die Anwaltszulassung entzogen worden war. Der Staatsanwalt hatte 39 Monate gefordert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Gemäss der "Süddeutschen Zeitung" erklärte der vorsitzende Richter, Martin Rieder, die Angeklagte habe mit fragwürdigen Zitier-Methoden versucht, ihre Thesen zu untermauern. Es sei ihr aber nur um eines gegangen, ungestraft den Holocaust zu leugnen. Doch der Massenmord an den Juden sei offenkundig.
Die Anzeige richtete sich auch gegen Veranstalter Ivo Sasek, da er es "als verantwortlicher Moderator" unterlassen habe, "Frau Stolz das Wort zu entziehen", als diese über längere Dauer "offensichtlich Leugnung des Holocaust" betrieben habe. Die Bündner Staatsanwaltschaft hat Sasek bereits befragt, doch das Verfahren bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gegen Stolz sistiert. Dies erklärt auf Anfrage Staatsanwalt Magnus Manetsch.
Frau mit dem "Mut eines Löwen"
Veranstalter Sasek kündigte die deutsche Holocaust-Leugnerin Sylvia Stolz damals als Frau mit dem "Mut eines Löwen" an. Auf Anfrage erklärt er nun: Er habe "nicht heraushören" können, was die "Ankläger von Frau Stolz" aus ihren Worten heraushören können. Auch der von ihm beauftragte Rechtsdienst nicht. Er habe sich "in keinster Weise auf den Holocaust" bezogen, sondern sei erschüttert gewesen, dass es Rechtsanwälten verboten werde, "nur schon Beweisanträge zu stellen".
Unmittelbar vor der Urteilsverkündigung haben die Veranstalter nun die Aufzeichnung von Stolz' Rede auf der AZK-Site gelöscht. Die AZK habe, so Ivo Sasek, das Video vor Veröffentlichung von einer Rechtsanwaltkanzlei überprüfen lassen und die habe es als unbedenklich erklärt. Die AZK habe aber sicher sein wollen, dass nach einem gegenteiligen Urteil etwas aufgeschaltet sei, "was als rechtswidrig erklärt wurde".