Angelo Garovi, pensionierter Staatsarchivar und Schwiegersohn des verstorbenen Bundesrates Ludwig von Moos, kanzelt seit Jahren alle ab, die dem katholisch-konservativen Obwaldner eine antisemitische Vergangenheit vorwerfen. Sein neuester Bestreitungsversuch endet als fulminantes Eigentor.
Ludwig von Moos, von 1935 bis 1942 Teilzeit-Alleinredaktor des "Obwaldner Volksfreund", später katholisch-konservativer Bundesrat, trägt die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung von antisemitischen Texten. Das ist unbestritten, umstritten ist noch, welche Texte von Moos selbst verfasste und welche Teile er von anderen Zeitungen oder Schreibern übernahm. Nur der ehemalige Obwaldner Staatsarchivar Angelo Garovi behauptet weiterhin, er habe "weder in Artikeln noch in Reden oder Aussagen von Ludwig von Moos je einen Hinweis auf (von Moos’, Anm. d. Red.) judenfeindliche Haltung oder Gesinnung" gefunden. Dies schrieb er Anfang 2012 in der «Schweizer Zeitschrift für Geschichte».
Die aktuelle Auseinandersetzung um von Moos’ Vergangenheit begann bereits vor Jahren, zuerst unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Garovi bearbeitete als wissenschaftlicher "Berater" den Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz zu seinem Schwiegervater und Obwaldner Bundesrat, sodass dort nun beschönigend zu lesen ist, man habe Ludwig von Moos Ende der sechziger Jahre "zu Unrecht" seine angeblichen Sympathien für den Frontismus in den dreissiger Jahren vorgeworfen.
Vergangenheitsbeschönigung
In einer NZZ-Buchbesprechung befand daraufhin der Historiker Thomas Maissen, Professor an der Universität Heidelberg, im November 2011, eine solche Formulierung sei "Erinnerungspolitik". Und sie sei "eine etwas weitreichende und für ein Lexikon überflüssige Verteidigung eines journalistischen Vorkämpfers gegen 'Warenhausjudentum' und Weltfreimaurerei'". Maissen erinnert damit an eine Aussage des Jungkonservativen von Moos vom Frühling 1933, wonach es zu begrüssen sei, dass "man dem Warenhausjudentum und der Weltfreimaurerei den schärfsten Kampf" ansage.
Garovis Versuch der Vergangenheitsbeschönigung im Historiker-Fachblatt führte zu zwei Entgegnungen in der neuesten, vor kurzem erschienenen Ausgabe. Thomas Maissen argumentiert vorsichtig, er widerlegt Garovis Verharmlosungen, ohne sich selber auf eine explizite Einschätzung über Ludwig von Moos festzulegen. Er sieht weiteren Forschungsbedarf, doch bis anhin hat die Familie von Moos den Nachlass den Forschern vorenthalten.
Weiterer Forschungsbedarf
Auch der Zeithistoriker Urs Altermatt sieht weiteren Forschungsbedarf, aber er schreibt auch unmissverständlich von "den bekannten antisemitischen Artikeln". Und weiter: Das von von Moos redaktionell betreute Blatt sei "innerhalb des politischen Katholizismus" jener rechtskonservativen Richtung zuzuordnen, "die antisemitische Vorurteile mehr als andere Strömungen pflegte." Damit muss Garovi zur Kenntnis nehmen, dass nun auch der Doyen der katholisch-konservativen Geschichtsschreibung der Mär von den stets demokratischen Überzeugungen des Ludwig von Moos nicht mehr anhängt.
Altermatts Einschätzung kommt nicht überraschend. Zwar blendete der CVP-Historiker den offensichtlichen Antisemitismus der Katholisch-Konservativen jahrzehntelange aus, obwohl Schriftsteller und Journalisten die judenfeindlichen Aussagen von katholisch-konservativen Exponenten wie Philipp Etter oder Ludwig von Moos belegt hatten. Doch 1999 – nach den heftigen Geschichtsdebatten um die "nachrichtenlosen Vermögen" – stellte dann auch Altermatt fest, dass Antisemitismus im rechtskatholischen Denken um 1920 (und auch noch später) "einen inhärenten, ja konstitutiven Bestandteil der Weltanschauung" darstellte. Altermatt hält es denn auch für möglich, dass Redaktor von Moos das in sein Blatt hob, "was zumindest ein Teil seiner Obwaldner Leserschaft dachte". Aber auch dies ist keine Entlastung. Im Gegenteil.