Der Bericht der Aufsichtskommission Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ist ein Beleg für eine transparent funktionierende Gewaltentrennung und ebenso erhellend wie ernüchternd. Weder die Kantonspolizei, noch ihr Nachrichtendienst, noch die Staatsanwaltschaft machten eine gute Falle bei der juristischen Bewältigung einer unverschämten antisemitischen Rede bei der PNOS-Kundgebung gegen den Migrationspakt von Ende November 2018 sowie der „Basel Nazifrei“-Gegendemonstration. Mehr als zweijähriges Nichtstun auf der einen, ausgeprägter Fleiss und besondere Härte auf der anderen Seite.
Es erscheine „erklärungsbedürftig“, so hält der Bericht fest, dass weder die Nachrichtendienst-Leute noch die Kantonspolizisten Anlass sahen, gegen den PNOS-Redner eine Strafanzeige einzureichen, dies obwohl Widerhandlungen gegen die Rassismus-Strafnorm ein Offizialdelikt sind. Und die Staatsanwaltschaft habe „objektiv nicht mit derselben Dringlichkeit“ gehandelt. Einerseits habe sie Teilnehmende der Gegendemo mit grossem Aufwand ermittelt und harte Strafen gefordert. Andererseits habe die Staatsanwaltschaft erst nach über zwei Jahren – und erneuerter Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG – das Verfahren vorangetrieben und einen Strafbefehl erlassen. (Der baselstädtische PNOS-Exponent Tobias Steiger hat dagegen Einspruch erhoben. Gegen ihn läuft auch im Kanton Basel-Land auch ein Strafverfahren, nachdem er Juden zwangssterilisieren wollte.)
Dabei wäre die Aufklärung ziemlich einfach gewesen. Der SIG hatte Strafanzeige eingereicht, und das Beweismaterial gleich mitgeliefert: Eine Videoaufzeichnung von Steigers Rede. Sie war – wie auch das Redemanuskript - mehrere Tage online gewesen.
Die Reaktionen auf den Bericht der Aufsichtskommission hinterlassen Zweifel am Problembewusstsein, sowohl der Staatsanwaltschaft wie jener bürgerlichen Politiker und Politikerinnen, die sich öffentlich geäussert haben. Die Staatsanwaltschaft hielt fest, dass bei ihnen niemand „Verfahren nach politischen Überzeugungen prioritär führe oder vernachlässige“. Diesen Vorwurf kann sie allerdings weder widerlegen noch entkräften. „Kein systematisches Problem“ will die FDP-Regierungsrätin Stephanie Eymann erkennen können. Und der FDP-Grossrat Luca Urgese fährt den Linken an den Karren, diese solle „aufhören, die Staatsanwaltschaft oder die Strafjustiz generell zu verpolitisieren, wie sie das seit Monaten“ versuche. Nur: Die Prioritätensetzung der Staatsanwaltschaft ist immer auch ein politischer Entscheid.
Nicht zu bewerten hatte die Aufsichtskommission eine weitere Tatsache: Das Strafgericht Basel-Stadt hat in den vergangenen Monaten in vielen Prozessen aussergewöhnlich hohe Strafen gegen Gegendemonstrantinnen und –Demonstranten verhängt. Zuständig für die Korrektur überbordender Sanktionen sind die höheren Gerichtsinstanzen, zuerst das Appellationsgericht, später vielleicht auch das Bundesgericht.