Hans Stutz konnte es bei der Aufarbeitung der Ermordung des jüdischen Viehhändlers Arthur Bloch 1942 in Payerne nicht um die Aufdeckung eines antisemitisch motivierten Verbrechens gehen. Dieses war bekannt, aber der Historiografie als Beispiel eines «aufsehenerregenden Exzesses» höchstens ein Satz wert. Dem Luzerner ist nun eine spannende erzählende Darstellung gelungen.
Die Exekution eines Juden war bei den vier Tätern, jüngere Männer einer Frontistengruppe und Hitlerbewunderer, seit längerem ein Thema. Ihr Anführer, ein verheirateter Mechaniker, stellte die Tat seinen auf ihn «vereidigten» Leuten als landesweites Fanal zum Kampf gegen die Juden hin. Ihr Opfer suchten sie auf dem Viehmarkt unter den jüdischen Viehhändlern, zufällig traf es Arthur Bloch. Als sie ihn in einem Stall niederschlugen und erschossen, war der Chef nicht dabei. Erst nach der Tat kommandierte er die Beseitigung der Leiche unter unsagbaren Scheusslichkeiten.
Zeitbedingte Mentalitäten
Der Autor erzählt das Geschehen präzis und nüchtern. Er enthüllt es dem Leser nach und nach, in seiner Brutalität und mit allen Hintergründen erst beim Gerichtsprozess. Das erlaubt es Stutz, die Mordtat und die Charakterisierung der Täter unter mehreren Aspekten anzugehen und Schilderungen des damaligen Zeitgeschehens oder der politischen und gesellschaftlichen Mentalitäten geschickt einzufügen. Er kann das ohne Überzeichnungen tun, weil erstens die Grausamkeit des Verbrechens, zweitens die auf nazistische Verseuchung gründende Verfügbarkeit der Täter und drittens die Unbekümmertheit, mit der Behörden und Bevölkerung noch 1942 Anzeichen frontistischer Aktivitäten und antisemitischer Gesinnung tolerierten, keine Relativierungen erlauben.
Verdrängte Wahrheiten
Wie sehr die Öffentlichkeit dazu neigte, offenen Antisemitismus zu vertuschen statt ihm entgegenzutreten, zeigte sich hier mehrfach. Die Richter versuchten, als Tatmotiv Raubmord auszumachen (den Tätern fiel eine grosse Summe Geld in die Hände) und im Widerspruch zu den Aussagen der Täter politische, also antisemitische Motive, auszublenden. Auch die Presse hielt sich weitgehend an diese Sprachregelung. Im Gegensatz zur meisten Literatur über die Weltkriegsperiode ist das Buch von Hans Stutz keine thematische Monografie, sondern die Darstellung eines Einzelereignisses. Es ist wertvoll, dass dieses oft angetippte, aber nie aufgearbeitete Geschehen jetzt mit seinen Hintergründen offen gelegt wurde.
Martin Merki
Neue Luzerner Zeitung, 16. Dezember 2000