„Eine wachsende Gefahr“ seien rechtsterroristische Kleingruppen oder Einzelpersonen, warnte vor kurzem der deutsche Verfassungsschutz in einen „vertraulichen Papier", das den Weg zu einer Deutschen Sonntagszeitung fand. "Rechtsterroristische Ansätze und Potenziale“ würden sich "in unterschiedlichen Strömungen und Spektren der rechtsextremistischen Szene" entwickeln, "aber auch am Rande oder gänzlich außerhalb der organisierten rechtsextremistischen Szene." Diese letzte Feststellung ist keine Neuigkeit. Neu ist, dass der Verfassungsschutz davor warnt. Er hat ja vieles gut zu machen, denn er hat in den vergangenen Jahrzehnten bei Kampf gegen rechtsextremen Terror regelmässig versagt, am markantesten bei der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).
Und in der Schweiz?
Die Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre begangenen Anschläge gegen „Einrichtungen des Asylwesens“ wurden – soweit überhaupt der/die Täter oder Täterinnen ermittelt werden konnten – teils von organisierten Rechtsextremisten begangen, meist jedoch von nicht-organisierten Bürgerinnen und Bürgern, die - angetrieben durch verbreiteten Diskriminierungswillen gegen Asylsuchende, Juden, Menschen schwarzer Hautfarbe - ihren herabsetzenden Worten kriminelle Taten folgen liessen. Dies unter anderem bestärkt durch die asylbewerberfeindlichen Kampagnen von Ringiers Boulevardblatt.
Weder Staatschutz noch Polizei waren damals behilflich, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus wie auch Rassismus zu stützen.
Und wie ist die Bedrohung heute? Immerhin berichtete Ringiers Sonntagsblatt unlängst von „geheimen Chat-Protokolle einer rechten Terrorzelle“, konkret: von einer geschlossenen Facebook-Gruppe „White Resistance“ (Weisser Widerstand). Beteiligt rund ein Dutzend Männer und Frauen, sie bestärken sich rund einen Monat lang in Gewaltphantasien gegen Unerwünschte. Tonangebend seien, so das Sonntagblatt, drei Männer und eine Frau, soweit überprüfbar nicht eingebunden in rechtsextremen Zusammenhängen. Nach einem Monat gegenseitigem Aufstacheln treffen sich fünf Personen zum ersten Mal, für die Planung konkreter Taten legt das Blatt weder Belege noch Hinweise vor, ebenso für die Existenz weiterer Gruppen. Aber eines weiss das Blatt: Der Staatsschutz soll es richten.
Fakt ist: Selbst wenn der Staatsschutz Informationen über Rechtsextreme gesammelt hat, bleiben diese Behördenwissen und damit auch für Interessierte (zum Beispiel Eltern oder Lehrer) oder Betroffene unerreichbar.
Eines ist aber klar: Weit effektiver als ausschweifende Überwachung oder staatliche Repression ist die gesellschaftliche Ausgrenzung rechtsextremistischer Überzeugungen und Widerspruch gegen rassistische Aussagen, ob diese sich nun gegen Juden, Muslime, Schwarze oder Schwule richten. Oder anders ausgedrückt: die Ermutigung zivilgesellschaftlicher Akteure, auch durch Medien und Politik.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Gewaltbereitschaft gehört zum Kern rechtsextremistischer Überzeugungen. Dafür lassen sich immer wieder Belege finden. Auch in den letzten Jahren. Nicht nur, dass bei Hausdurchsuchungen bei Rechtsextremen häufig Waffen gefunden werden. Die Kameradschaft Heimattreu beispielsweise, aktiv in der Region Ausserschwyz/St.Galler Linthal, betrieb im vergangenen Jahr Wehrübungen, Motto. „Für jede Situation trainiert zu sein ist Pflicht für den Politischen Soldaten“. Auch lobte sie die rechtsextremen ukrainischen ASOV-Brigaden: Diese „modernen Freiheitskämpfer“ würden es ihnen „vormachen“, schreibt die Gruppe in den Social Medias. Im November 2018, bei der PNOS-Kundgebung in Basel, agierten Heimattreu-Leute als Ordnungsdienst.
In der Westschweiz zogen Rechtsextreme mehrmals in Genf und Lausanne als selbsternannte „Bürgerwehr“ durch nächtliche Strassen. Genfer Rechtsextremisten, organisiert in der Gruppe „Kalvingrad Patriote“ betreiben regelmässig Kampftraining, dies auch mit politischer Motivation. Und davon erfährt die Öffentlichkeit – wenn überhaupt – meist nur durch Medienberichte.