Erster Augustsamstag 2007, vor 102 Monaten also. In der Reithalle hören 1500 (oder mehr) ZuschauerInnen ein Konzert des „Antifascist Festivals“. Kurz vor Mitternacht meldet ein Besucher einen auffälligen Benzingeruch. Bei der Nachsuche entdeckt die Reithalle-Security einen verdächtigen Rucksack. Kurze Zeit später geht die Brandbombe ausserhalb des Konzertsaales hoch, erzeugt eine mehrere Meter hohe Stichflamme und dann Brandherde, auch an der Holztüre eines Notausgangs.
Die avisierte Polizei sei schnell vor Ort gewesen. So berichtet ein Security-Mann vergangene Woche den RichterInnen des Bundesstrafgerichtes in Bellinzona. Doch für die Überreste des Rucksackes hätten sich die Polizisten nur mässig interessiert. Offensichtliches Desinteresse leitete das Verfahren seit der Tat.
Das Berner Untersuchungsrichteramt stellte das Verfahren zweimal ein. Ein DNA-Zufallstreffer führt im März 2010 zum Waffenliebhaber Kim S. (geb. 1989) aus dem Berner Seeland. Auch die Bundesanwaltschaft ermittelt nun, will aber rund drei Jahre später keine Anklage erheben. Das Bundesstrafgericht, angerufen von einem Privatkläger, sieht ausreichende Gründe für einen Strafprozess. Dann noch eine weitere Überraschung. Knapp acht Jahre nach dem Anschlag kann man auch noch ein Fingerabdruck auf den Bombenresten eindeutig Kim S. zuordnen.
Vor dem Bundesstrafgericht spielte der einstige Skinhead den geläuterten Neonazi. Konkrete Fragen zur Tat beantwortet er nicht. Wie bereits seit Beginn der Untersuchungen . (Siehe WOZ 16/2014). Kim S. hat – noch vor den ersten Medienberichten – am Tatwochenende in ein Blood & Honour-Forum geschrieben: „Das versüsst einem den Sonntag Morgen“, und auch: „Sieg Heil“. Die gefundenen Spuren legen nahe, dass Kim S. beim Bau der Brandbombe entweder mitgeholfen oder sie selber hergestellt hat. Er besass die verwendeten Baumaterialien und verfügte über hinreichende Fachkenntnisse. Er hat im Blood & Honour-Forum – bereits vor dem Anschlag – Angriffe auf Linke/bzw. linke Treffpunkte propagiert. Hingegen gibt es keinen Hinweis, dass er den Rucksack in die Reithalle getragen hat. Die Anklage fordert vier Jahre Freiheitsentzug, der Verteidiger plädiert auf Freispruch, getreu dem Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Das Bundesstrafgericht will sein Urteil am 7. April 2016, 11.00 Uhr verkünden.
* Die Faultiere (Folivora, auch Tardigrada oder Phyllophaga) bilden eine Unterordnung der zahnarmen Säugetiere (Pilosa). Bekannt sind sie durch ihre hängende Lebeweise, ihre sehr langsamen Bewegungen und die langen Ruhephasen.