„Kontrafunk“ beansprucht eine „Stimme für Vernunft“ zu sein und ging zu Sommerbeginn erstmals auf Sendung. Der Start erhielt Rechtsaussen unverzüglich Beachtung. Björn Höcke, am rechten AfD-Flügel aktiv, lobte den Online-Sender schon nach wenigen Stunden. Sie sei eine «journalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk». Tatsächlich ist sie inhaltlich ein Magerprodukt. Der Sender ist zwar 24 Stunden online, verbreitet aber täglich nur wenige journalistische Eigenleistung. Ganztäglich wiederholte «Morgennachrichten», dazu ein Interview, ein Podcast und eine Diskussionsendung. Initiiert wurde das Projekt von Burkhard Müller-Ulrich, inzwischen 66-jährig. In jüngeren Jahren arbeitete der Schweizer, aktuell in Steckborn/Kanton Thurgau ansässig, für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland und der Schweiz, wie auch für angesehene überregionale Tageszeitungen. Ihnen wirft er nun Verrat an journalistischen Standards vor, so wie viele andere Rechtsaussen.
Höckes Lob hat einen nachvollziehbaren Grund. Müller-Ulrich attestiert der AfD, dass sie «immerhin eine ernstzunehmende Grösse im bundesdeutschen Politbetrieb» geworden sei. Und er beklagt, dass die Berichterstattung über den letzten AfD-Parteitag «von A bis Z von Antipathie gekennzeichnet» gewesen sei. Versagt hätten die «Mainstream-Journalismus» und die «öffentlich-rechtlichen Sender». Verschweigen würden die „Leitmedien“ nämlich, «dass die meisten Migranten uns keineswegs bereichern, dass die Abschaltung von Kraftwerken zur Energiekrise führt, dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist, dass die Erzählung von der drohenden Klimakatastrophe äußerst zweifelhaft und die geschlechtliche Aufladung der Sprache Humbug» sei. Im Klartext: Was Kontrafunk kritisiert, ist auch das Programm der AfD. Beide sind für nationalistische Finanzpolitik und für Atomstrom und gegen Migration, europäischen Zusammenschluss, Frauenemanzipation und Massnhmen zur Stabilisierung des Klimas. Sie bevorzugen einen illiberalen Staat, nahe den Vorstellungen von Viktor Orbàn oder Wladimir Putin.
«Kontrafunk» positioniert sich als Corona-Widerständler
Den Start begleitete auch Die «Junge Freiheit» JF, publizistischer Senior von Deutschlands Neuen Rechten, mit mehreren Texten und einem Interview. Dabei berichtet Müller-Ullrich, er habe ein Startkapital von 1,2 Euro Millionen gesammelt. Die Gesamtsumme verteile sich auf 36 Investoren, „alles private Mittelständler“. Erster Geldgeber mit 100.000 Euro sei ein „bekannter Journalist“ gewesen. Dessen Namen will er nicht nennen. Dann seien mehrere Großspender hinzugetreten, mit Beteiligungsoption von 25.000 bis maximal 100.000 Euro, damit niemand sich einen grossen Einfluss „quasi einkaufen“ könne, so Müller-Ullrich im Gespräch mit der JF.
Offiziell sieht es bescheidener aus, wie auch dem Gründungsdossier hervorgeht, hinterlegt beim Handelsregisteramt Zug. Die Aktiengesellschaft, gegründet Anfang Mai 2022, mit Sitz in Cham, stützt sich auf ein Kapital von 100'000 Franken, aufgeteilt in zehntausend Aktien à 10 Franken. Fünftausend von Müller-Ullrich himself und fünftausend von einer Frau, die mit Müller-Ullrich den Wohnsitz teilt. Die Aktien sind nur beschränkt handelbar. Aktien kann nur kaufen, wer ins Aktienbuch eingetragen wird. Den Entscheid fällt der einzige Verwaltungsrat: Müller-Ullrich. Im Klartext: Er sitzt am langen Hebel, mindestens vorläufig.
Stimme für die Reaktion
«Kontrafunk» sendet erst wenige Wochen, aber bereits ist lässt sich festmachen: Der Sender ist ein Sprachrohr für jene, die ihre Stellungnahmen gerne mit einer Klage über die gegängelten «Leitmedien» beginnen. Sei es der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp, sei es die Autorin Monika Maron. Aus der Schweiz darf der Autor Guiseppe Garcia zum Mikrofon. Er war Mediensprecher des Churer Bischofs Vitus Huonder, der sich zu den Sektenchristen der «Piusbruderschaft» zurückgezogen hat.
Noch näher mit dem neuen Sender verbandelt ist der Zuger Andreas Thiel, von dem einige behaupten, er sei Satiriker. Bereits drei Sendungen „Yoyogaga“ hat er produziert. Er bietet nicht nur Langeweile für die Ohren, sondern auch - wie der Sonntagsblick“ berichtete - Müller-Ullrichs Aktiengesellschaft Unterkunft in einem Briefkasten auf dem Gebiet der ehemaligen Papierfabrik Cham.
Immerhin einen nützlichen Hinweis bietet die neue Hoffnung der Neuen Rechten. Sie macht darauf aufmerksam, dass mit dem Wissenschaftsphilosofen Michael Esfeld ein Corona-Widerständler an der Uni Lausanne arbeitet. Er behauptet, es gehe bei der Pandemie weniger um Bekämpfung, sondern vielmehr darum, eine „neue Normalität“ zu schaffen, die in einer umfassenden sozialen Kontrolle bestehen soll. Esfeld schreibt gelegentlich auch für das rechte „Cicero“-Magazin. Da verwundert es nicht, dass in einer „Kontrafunk“-Morgensendung zur Lugano-Konferenz, auf die Mutmassungen des Weltwoche-Redaktors Marcel Odermatt zurückgegriffen wurde. Die Neue Rechte greift ja gerne auf ihresgleichen zurück.
Fazit: „Kontrafunk“ ist für alle, denen die sich „Mainstream-Medien“ abgrenzen, da diese politisch nicht mehr konservativ oder rechts genug seien.
Andreas Thiel: Verdrängter Diskriminierungswillen