Die Medienmitteilung vom 26. Januar ist kurz und enthält keine Begründung: Staatsanwalt Horst Schmitt appelliert gegen zwei der drei bedingten Gefängnisstrafen, die das Kriminalgericht Luzern Mitte November 1997 gegen drei Skinheads ausgesprochen hat. Diese waren Anfang November 1995 beim Angriff auf das Hochdorfer «Festival für Völkerfreundschaft» beteiligt. Schmitt verlangt für beide Täter unbedingte Freiheitsstrafen.
Das Kriminalgericht Luzern, das beide Skins zu zwölf Monaten Gefängnis bedingt verurteilte, habe, so Schmitt gegenüber «Luzern heute», die Beteuerungen der Täter, sich nicht mehr an rechtsextremen Gewaltdelikten zu beteiligen, zu stark gewichtet, hingegen zuwenig berücksichtigt, dass Pascal Lobsiger und Hermann Legenstein sich nicht eindeutig von der gewaltbereiten rechtsextremen Szene distanziert hätten. In der Tat finden sich in den drei Urteilsbegründungen keine Erörterungen über das skinheadgeläufige Verhaltensmuster. Das Gericht gibt sich damit zufrieden, dass die Täter versichern, die rassistische beziehungsweise rechtsextremistische Motivation zu minimieren, sich von Organisationen und Gewalttaten (aber nicht von den «Kameraden») zu distanzieren und geloben, sich in Zukunft zu bessern.
Keine gute Prognose
Pascal Lobsiger, einst führendes Mitglied der Schweizer Hammerskinheads, im September 1995 Steinewerfer an der Blocher-Demo, im November 1995 Hauptorganisator des Hochdorfer Angriffes, und auch der Zürcher Metzger Hermann Legenstein, ebenfalls Mitglied der Hammerskinheads, ebenfalls Steinewerfer an der Blocher-Demo, müssen also weiterhin damit rechnen, dass ihnen einige Monate hinter Gittern zugesprochen werden. Denn die Gewährung des bedingten Strafvollzuges setzt unter anderem voraus, dass dem Angeklagten eine gute Prognose gestellt werden kann. Lobsiger bewegt sich aber weiterhin in rechtsextremen Zusammenhängen und hat sich auch an der Gerichtsverhandlung nicht von seinen Kameraden distanzieren wollen.
Geradezu hanebüchen ist die kriminalgerichtliche Begründung beim Zürcher Metzger Hermann Legenstein, der sich noch für zwei tätliche Angriffe gegen ausländische Serviceangestellte verantworten musste. Wie heisst es doch so schaurig-schön in der Urteilsbegründung: Legenstein zeige zwar «bezüglich seiner Taten keine echte Reue», entscheidend aber sei, «dass er klar ausgesagt hat, sich künftig rechtskonform verhalten zu wollen». Nur wenige Wochen vor der kriminalgerichtlichen Verhandlung marschierte Legenstein beim St. Galler Skinaufmarsch, als über vierzig Skins (darunter zwei Frauen) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer antifaschistischen Demonstration angreifen wollten, jedoch von der avisierten Polizei gerade noch rechtzeitig abgefangen werden konnten. Den Willen zu Gewalttaten bezeugten die mitgeführten Baseballschläger und der beschlagnahmte Aufruf der Organisatoren: «Weisen wir die Chaoten in die Schranken, und lassen wir sie nicht einfach marschieren!» Diesen Sachverhalt umschreibt das Luzerner Kriminalgericht in der Urteilsbegründung nachsichtiger als ein Pflichtverteidiger: «Da gewisse Parallelen zur Gewaltaktion von Hochdorf vorliegen, besteht die Vermutung, dass die Skinheads, hätte die Polizei nicht eingegriffen, allenfalls gegen Demonstranten vorgegangen wären.» Vermutung? Allenfalls? Für das Kriminalgericht Luzern ist «beweismässig (. . .) nur erstellt, dass (Legenstein) im Zusammenhang mit einer Demonstration angehalten und kontrolliert wurde». Im Klartext: Legenstein folgte zwar dem Aufruf der Organisatoren, «die Chaoten in die Schranken zu weisen», und fuhr dafür eigens von Zürich nach St. Gallen, doch da die Attacke verhindert wurde, erachtet das Kriminalgericht auch den Willen als nicht mehr beweisbar. Der Wille zur Tat ist demnach erst gegeben, wenn der Taterfolg eingetreten ist.
Mit Nachsicht behandelt
Und was wohl meint das Kriminalgericht mit dem Satz im Urteil des dritten Angeklagten Thomas Schneeberger: «Die Lebensaufwendungen bestreitet er aus eigenen Mitteln und nicht etwa auf Kosten anderer»? Skinheads werden in der Bemerkung «und nicht etwa auf Kosten anderer» erfreut die Bestätigung ihres Hirngespinstes «Asylbewerber und Hausbesetzer gleich Schmarotzer» sehen.
Was aber will das Luzerner Kriminalgericht eigentlich sagen? Will es andeuten, dass Aktionäre von fusionierenden Grossbanken, die massive Kursgewinne und gesteigerte Dividenden einsacken, weil Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut werden, sozial unverantwortlich handeln und deshalb weniger Nachsicht verdienen würden? Wohl kaum. Eher: Vor dem Gesetz sind zwar alle gleich, doch die Strafzumessung richtet sich nach der Stellung, die Täter und Opfer im Produktionsprozess haben. Ein lohnabhängiger Rechtsextremer, der doch täglich seine Frustrationen am Arbeitsplatz erleidet, soll mit Nachsicht behandelt werden, wenn er gelegentlich sozial Deklassierte angreift. Oder etwa nicht?
Die Urteilsbegründungen liefern aber auch einen sachlichen Hinweis: Das Kriminalgericht ging von einem Strafrahmen von bis zu 7,5 Jahren Gefängnis aus. Da hat das Obergericht offensichtlich noch einigen Gestaltungsraum bei der Strafzumessung.