Demokratie braucht Qualitätsjournalismus
Der Gewerbeverband gehört seit Jahrzehnten zu den Gegnern öffentlich-rechtlicher Medien. Nun führt er eine Angstkampagne gegen die Neuordnung der Billag-Abgaben.
Der Gewerbeverband hat das Referendum ergriffen gegen eine Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG. Angriffsziel ist die neue Gebührenordnung. Eine allgemeine Abgabe soll die bisherige geräteabhängige Empfangsgebühr ersetzen. Neu sollen – im Grundsatz – alle Haushalte und Unternehmen für den Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen bezahlen müssen. Diese Regelung ist nachvollziehbar, sie ist eine Folge der technischen Entwicklung. Der Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen ist heute über viele Kanäle möglich.
In Zukunft werden mehr Betriebe und Personen als bis anhin eine Abgabe bezahlen müssen, doch die Einnahmen der SRG sollen nicht ansteigen. Dies führt zwingend zu einer Senkung der Billag-Gebühr für private Haushalte von heute 462 auf rund 400 Franken und zu einer Senkung der Gebühr für Unternehmen. Dazu kommt: Heimbewohner, AHV-Bezüger, Personen ohne Computer, Smartphones, Radio oder TV zahlen auch in Zukunft keine Gebühr. Haushalte ohne Radio- oder Fernseh-Empfangsgerät werden während fünf Jahren die Möglichkeit haben, sich von der Abgabe zu befreien (“Opting out”). Der Grossteil der Schweizer Unternehmen, nämlich jene mit einem Umsatz unter einer halben Million Franken, ist ebenfalls von der Billag-Abgabe befreit.
Der Gewerbeverband macht eine Angstkampagne. Die Behauptung, die Gebühr werde auf 1000 Franken steigen, ist Unsinn und pure Abstimmungspropaganda.
Das hat Tradition: Das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen hatte immer Gegner. Zuerst natürlich – aus wirtschaftlichen Gründen – die Zeitungsverleger. Dann aber auch – aus politischen Gründen – Rechtsbürgerliche, denen öffentlich-rechtliche Medien (da angeblich zu links) zu kritisch waren. In der Tat haben es Wirtschaftsunternehmen bei Privatsendern leichter, Druck aufzubauen.
Nur: Demokratie braucht qualitätsorientierten Journalismus. Die privatfinanzierten Medien erfüllen diesen Auftrag zunehmend schlechter. Dies ist einerseits eine Folge der ‚Verblocherung’ der Medien (Weltwoche, Basler Zeitung), andererseits eine Folge des Wegfalls der Inserateeinnahmen bei den Print-Medien und den darauffolgenden Kürzungen bei den Redaktionsbudgets. Weder Privat-TV-Sender noch Privat-Radio-Stationen tragen wesentlich zur staatspolitisch notwendigen Diskussionen bei, obwohl sie bereits seit Jahren auch rund 4 Prozent aller Gebühren erhalten. Neu sollen es gar rund 6 Prozent werden, obwohl die meisten konzessionierten Privatsender Teil eines regionalen Medienkonzerns sind. Medienvielfalt gewährleisten sie auf jeden Fall nur beschränkt.
Die Schweiz braucht folglich ein gebührenfinanziertes Grundangebot an öffentlich-rechtlichen Radio- und TV-Dienstleistungen, in allen Landesteilen. Das kostet – wegen den vier Landessprachen – mehr als in anderen Ländern. Ein JA zur Teilrevision des RTVG-Gesetzes ist ein Beitrag für die Medienqualität.