Auch Luzern hat nun sein Amigo-System
Der Regierungsrat missbraucht den Lotteriefonds für die Propagierung von Wirtschaftsinteressen.
Im kommenden Herbst fahren zwei Regierungsräte, der CVP-Stadtpräsident, ein Wirtschftsförderer und ihre Entourage nach Moskau. Gefördert mit Geldern des Lotteriefonds. Der Regierungsrat hat sich in den vergangenen Monaten mit zwei Verordnungsänderungen ein Kässeli geschaffen, mit dem er seine Favoriten begünstigen kann.
350 000 Franken aus dem Lotteriefonds zahlt der Kanton für diese Wirtschaftsförderungsreise nach Moskau. Es würden «keine ordentlichen Steuergelder» verwendet, behauptet Sven Zeidler, Leiter der kantonalen Dienststelle Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation in der NLZ. Da hat er sogar Recht. Unerwähnt lässt er allerdings, dass gemäss Bundesverfassung die Reinerträge der Lotterien «vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke, namentlich in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport, verwendet werden» müssten. So schreiben es auch eine interkantonale Vereinbarung wie auch das kantonale Lotteriegesetz vor.
Nur: Der Luzerner Regierungsrat hat in den vergangenen zwölf Monaten ein System entwickelt, mit dem er Lotteriegelder zweckentfremden kann. Zuerst hat er im vergangenen Sommer die Verordnung über die Lotteriegelder geändert, sodass nun auch Beiträge «für die Promotion des Kantons Luzern» möglich sind, konkret für «nicht rein kommerzielle Auftritte des Kantons und seiner Regionen». Und in einem zweiten Schritt hat er sich Mitte Februar dieses Jahres – ebenfalls per Verordnungsänderung – mehr Kompetenzen zugesprochen, indem er nun einen «Anteil zu seiner eigenen Verfügung» erhält und in «Einzelfällen» auch Beträge unter 500 000 Franken «endgültig» zusichern kann. Letzteres war früher ausschliesslich in der Kompetenz der zuständigen Departemente.
Nun haben wir den Salat. Der Wirtschaftsförderungsausflug nach Moskau, angeführt von zwei Luzerner Regierungsräten, begleitet vom CVP-Stadtpräsidenten und -Kantonsrat Stefan Roth, belegt, wie Amigo-Politik funktioniert: Der Kanton betreibt eine Finanzpolitik, die – trotz steigender wirtschaftlicher Leistung des Kantons – dazu führt, dass erstens in Aussicht genommene Projekte verzögert und zweitens soziale/ökologische Forderungen mit Verweis auf fehlende Mittel abgelehnt werden. Nur für sich – beziehungsweise seine bevorzugten Projekte – schöpft der Regierungsrat aus dem Vollen des Lotteriefonds. Diesmal in Moskau! Bald auch anderswo? Wir bleiben dran!
Nachtrag vom 9. August 2013:
Ein «Reisli nach Moskau» mit fremdem Geld
Zwei Regierungsräte und der Luzerner Stadtpräsident reisen im November nach Moskau, um den Kanton Luzern zu verkaufen. Der Tross mit 20 Politik- und Wirtschaftsvertretern nimmt das Geld für das «Reisli» aus dem Lotteriefonds. Doch der Griff in diesen Honigtopf ist nicht statthaft, finden Staatsrechtler.
Siehe:
http://www.zentralplus.ch/de/news/politik/25071/Ein-%C2%ABReisli-nach-Mo...
Nachtrag vom 21. August 2013
Dringliche Anfrage über das Wirtschaftsförderungs-Reisli, finanziert durch den Lotteriefonds
Eingereicht von Hans Stutz, unterschrieben von allen Mitgliedern der Grünen Fraktion
Gemäss der Bundesverfassung müssen die Kantone sicher stellen, dass bei Lotterien „die Reinerträge (…) vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke, namentlich in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport“ verwendet werden. Auch die interkantonale Übereinkunft über das Lotteriegesetz hält fest, dass die Kantone die Kriterien bestimmen müssten, „die die Verteilinstanz für die Unterstützung gemeinnütziger und wohltätiger Projekte anwenden“. Ähnlich das Luzerner Lotteriegesetz: Lotteriegelder müssen eingesetzt werden „für Vorhaben, die im öffentlichen Interesse liegen und nicht kommerziellen Zwecken dienen“. Ausgeschossen ist dabei explizit die Verwendung von Lotteriegeldern zur „Erfüllung öffentlich-rechtlicher gesetzlicher Verpflichtungen von Gemeinwesen oder von Privaten“. Sie ist allenfalls möglich, „soweit das Gesetz das Gemeinwesen nicht zur Übernahme der Kosten verpflichtet“.
Das übergeordnete Recht ist also klar und eindeutig, Ausnahmebestimmungen sind keine ersichtlich.
Am 17. November 2013 begeben sich – gemäss mehreren Medienberichten – mehrere Regierungsräte nach Moskau, begleitet von einem Stadtpräsidenten und Kantonsrat, zwei Vertretern von Luzern Tourismus, zwei Vertretern von der Wirtschaftsförderung und zwei Vertretern von der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz. Mit dabei sind auch Exponenten von Lucerne Health, die reiche Russen für teure Spitalbehandlungen nach Luzern vermitteln wollen, und Markus Ries von der Universität Luzern, zuständig für internationale Beziehungen der Universität. Nach Moskau eingeflogen wird auch das Luzerner Symphonie-Orchester, es soll in einer Halle ein Konzert geben. Die gesamten Kosten von 350’000 Franken werden durch Gelder des Lotteriefonds beglichen.
- Gegenüber dem Onlineportal Zentralplus erklärte ein Sprecher des Bau-, Wirtschafts- und Umweltdepartements: „Die Amtsträger leisten ihre Arbeit im Rahmen ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben und haben dafür keine persönlichen Profite.“
a) Wenn die Regierungsräte und der Stadtpräsident/Kantonsrat die Moskauer Wirtschaftsförderungsreise in der Ausübung ihres Amtes erledigen, warum werden diese Reisen denn nicht aus Mitteln der ordentlichen Rechnung des Kantons bzw. der Stadt beglichen?
b) Wie rechtfertigt der Regierungsrat die Verwendung von Lotteriegeldern in diesem Fall?
c) Auch die beiden Herren der Wirtschaftsförderung reisen im beruflichen Auftrag nach Moskau. Wie rechtfertigt der Regierungsrat die Verwendung von Lotteriegeldern in diesem Fall? - Die Herren von Luzern Tourismus, der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz und von Lucerne Health reisen als Vertreter von kommerziellen und privaten Interessengruppen. Auf welche gesetzliche Grundlage stützt sich die Übernahme der Reisekosten durch den Lotteriefonds für diese Herren, die ja im beruflichen Auftrag und für eigene Interessen nach Moskau reisen?
- Gemäss uns vorliegenden Informationen beansprucht der Auftritt des Luzerner Symphonieorchesters 160’000 der ausbezahlten 350’000 Franken, der Hauptteil des Geldes wird also für Wirtschafts- und Tourismusförderung ausgegeben. In der Antwort auf die Anfrage A 238 erklärte der Regierungsrat, dass bei einem Auftritt – wie nun in Moskau – „nicht Tourismuszwecke oder Standortpromotion im Vordergrund stehen“ dürften. Wie begründet der Regierungsrat diesen Widerspruch?
- Der Kantonsrat hat vor einiger Zeit auf Vorschlag der Regierung den Staatsbeitrag für Luzern Tourismus gekürzt. Wie begründet der Regierungsrat die Einsicht, dass der gesprochene Staatsbeitrag zur Aufgabenerfüllung von Luzern Tourismus offensichtlich doch nicht ausreicht und deshalb der dafür nicht vorgesehene Lotteriefonds bemüht wird? Zudem: Kommt dieses Vorgehen nicht einer Missachtung eines Entscheides des Parlamentes gleich? Wie rechtfertigt der Regierungsrat ein solches Vorgehen?
Nachtrag vom 9.9.2013
Die Mehrheit des Kantonsrates lehnt die dringliche Behandlung meiner Interpellation ab. Wir bleiben dran.