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Bürgerliche lehnen Öffentlichkeitsprinzip ab

SVP, ,CVP und FDP befürchten, ihre Informationsprivilegien zu verlieren.

4. November 2015
Ein Bürger – wie ihn Luzerns bürgerliche KantonsrätInnen sich wünschen.

Die Botschaft „Einführung des Öffentlichkeitsprinzip“ ist das Resultat einer Motion, die die Grüne Fraktion vor fünfeinhalb Jahren eingereicht hat und die im Kantonsrat im Januar 2011 eine Mehrheit fand. In der Diskussion erklärte die damals zuständige Regierungsrätin: Die Regierung sei mit kritischen Kundinnen und Kunden konfrontiert, die den Glauben an ein faires Verfahren verloren hätten. Dem gelte es Rechnung zu tragen. Der Motionär Alain Greter meinte zutreffend: Mit dem Öffentlichkeitsprinzip werde die Transparenz über die Verwaltung gefördert und die Kontrolle über die staatlichen Gewalten gestärkt. Er könne sich nicht vorstellen, wie jemand in der heutigen Zeit gegen ein Öffentlichkeitsgesetz sein könne.
Er hat sich in der Zwischenzeit eines Schlechteren belehren lassen müssen. Die vorberatende Kommission beantragte Nichteintreten, ansonsten Rückweisung und empfahl  auch ein NEIN bei einer allfälligen Schlussabstimmung.

Ausgeprägte Kultur der Vertraulichkeit
Tatsache ist: Der Kanton Luzern pflegt immer noch eine ausgeprägte Kultur der Vertraulichkeit: Öffentlich werde nur jene Informationen, die Regierung und Verwaltung für die Durchsetzung ihrer Absichten als opportun erachten. Das wird gerne bestritten, zur Widerlegung ein Beispiel aus der bewegten Zeit der Luzerner Polizeiaffäre: Eines Tages lud das Justiz- und Sicherheitsdepartement zur Medienkonferenz und der beauftragte ehemalige Berner Oberrichter Jürg Sollberger, verantwortlich für die Administrativuntersuchung, las den MedienvertreterInnen eine Zusammenfassung seiner bisherigen Untersuchungsergebnisse vor. Später erhielten auch die Fraktionspräsidenten eine Kopie des Manuskripts, was einen (damaligen) Fraktionspräsidenten zu einer Intervention trieb. Daraufhin erklärte die Justiz- und Sicherheitsdirektion das Papier wieder für «vertraulich» – so dass für die weiteren Mitglieder unseres Rates das öffentlich vorgetragene Papier nicht mehr zugänglich war. Und noch weniger für andere interessierte ZeitgenossInnen.

Auch die vergangenen Wochen belegen die Vertraulichkeitskultur. Sowohl das Parlament wie auch interessierten Einwohnerinnen und Einwohner erhielten nur tröpfchenweise Informationen über die bevorstehenden Einsparungen bei der Polizei und bei Bildung, Ausbildung wie auch bei den Prämienverbilligungen. Regierung und Verwaltung behindern (gezielt?) die politischen Diskussionen.

Kulturwandel ist dringend
Ein Kulturwandel ist notwendig, andere haben diesen Schritt bereits getan. Bund wie auch die Mehrheit der Kantone haben daher das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt. Will heissen: Alle Informationen sollen zugänglich sein, soweit nicht überwiegende öffentliche oder schützenswerte private Interessen entgegenstehen. Bei der Abweisung von Einsichtsgesuchen können abgewiesene Bürgerinnen und Bürger Beschwerde einlegen. Die Einführung ist nichts anderes als die kantonale Umsetzung der Informationsfreiheit. So wie sie in der Bundesverfassung festgeschrieben ist: „Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten.“

Das ist der Grundsatz, in der Praxis bedeutet dies, dass bei entstehenden Projekten, Regierung und Verwaltung weiterhin vertraulich arbeiten können und auch den Zeitpunkt von Publikationen/Medienkonferenzen selber festlegen können. Aber interessierte Medienschaffende oder interessierte Bürgerinnen haben nachher die Möglichkeit allfällig erstellte Studien, allenfalls auch andere Unterlagen einzusehen.
Machen wir uns nichts vor. Die ablehnende Haltung der bürgerlichen Mehrheit dieses Rates beruht auf der Angst die eigenen Informationsprivilegien zu verlieren. Oder sie zumindest teilweise einzubüssen.

Fadenscheinige Argumente
Noch ein paar Bemerkungen zu den Argumenten der GegnerInnen des Öffentlichkeitsprinzips. Ein Blick in den Evaluationsbericht des Bundes zeigt, in der Tat gibt es Probleme, vor allem mit jenen Behörden, die das Gesetz sabotieren möchten. „Aus Sicht der Gesuchstellenden ist der Paradigmawechsel in den Behörden mehrheitlich noch nicht vollzogen, auch wenn einzelne Behörden in diesem Zusammenhang positiv erwähnt werden. Verschiedene Behörden wehren sich nach Auffassung der Gesuchstellenden gegen den Vollzug des BGÖ.“ Der Bericht hält aber auch fest, „dass die Bearbeitung von BGÖ-Gesuchen in vielen untersuchten Behörden mittlerweile eine gewisse Routine darstellt und die festgestellten Probleme sich häufig lediglich in bestimmten Fällen zeigen.“
Selbstverständlich gibt es auch Auslegungsprobleme, genauer unterschiedliche Vorstellungen wie die Gesetzesvorschriften interpretiert werden müssen. Nur: Das ist nichts Neues. Solche Auseinandersetzungen gibt es bei jeder Einführung von neuen Gesetzen. Kein Grund also, gegen die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips!

Votum im Kantonsrat, 4. November 2015. (Leicht bearbeitet).