Eigentlich wollte ja Hansi Voigt, einst Chefredaktor, nun Medienunternehmer und -Berater, kurz vor Weihnachten 2022 einen medienkritischen Tweet wider den regionalen Medienkonzern CH-Media rauslassen: "Wir sollten aufhören, uns darüber zu empören, was ein Gaga-Rechtsextremist wie Glarner sagt, der im Parlament völlig wirkungslos ist. Wir sollten uns darüber empören, dass CH MEDIA einem wirkungslose Parlamentarier dauernd eine Bühne gibt und so extreme Positionen 'einmittet'.» Dem Aargauer SVP-Nationalrat missfiel die Kritik an seiner Person und so klagte er wegen Beschimpfung und übler Nachrede. Ein Rechtsextremist will er nicht sein, "gaga" stört ihn nicht. Der Staatsaanwalt - im Zweifel Anklage - erkennt den Schreiber schuldig und der appelliert ans Bezirksgericht und so beschäftigt sich heute Vormittag ein Bezirksgerichtspräsident mit der Klage. Der Anzeigererstatter, befragt als Auskunftsperson, erklärt: Als Rechtsextremist gelte, wer Gewalt anwende, Anschläge verübe und sich ausserhalb der demokratischen Grundordnung bewege. Dann stellt er die Hürde hoch, so wie viele Rechtsbürgerliche, die in der Schweiz (fast) nirgends Rechtsextremismus erkennen wollen: Als Rechtsextremisten würde jene Personen gelten, so Glarner, die nationalsozialistische Ideologien vertreten würden.
Voigts Verteidiger hält dagegen: Wer das Gleichheitsprinzip aller Menschen infrage stelle und völkisch argumentiere, der handle als Rechtsextremist. Und für diese Einschätzung stützt er sich auf viele bekannte Vorfälle, darunter
2007 Glarner unterscheidet in Plakatkampagnen zwischen Schweizern und Muslimen und unterstellt Muslim*innen eine generelle Gewaltbereitschaft. LINK
2009 Glarner tritt der deutschen Organisation Pro Köln bei, die seit 2004 unter Rechtsextremismus-Verdacht stand und später vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Organisation eingestuft wurde.
2013 Glarner setzt eine Prämie aus für die Enttarnung eines 23-jährigen Sozialhilfebezügers. LINK
2018 Glarner veröffentlicht die Namensliste einer Dübendorfer Klasse, um aufzuzeigen, wie viele Kinder ausländischer Herkunft seien.
2019 Glarner veröffentlicht den Namen und die Telefonnummer einer Zürcher Lehrerin, weil sie muslimischen Kindern erlaubt hatte, während des Fastenbrechens der Schule fernzubleiben. LINK1; LINK2
2020 Glarner publiziert auf Facebook zwanzig Vornamen von Aldi-Lehrabgängern und mokiert sich darüber, diese seien keine «richtigen» Schweizer.
2020 Glarner verunglimpft die Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) vor laufender Kamera und unterstellt ihr implizit, keine «echte» Schweizerin zu sein.
2021 Glarner ist Mit-Administrator einer Facebook-Gruppe, gegen «Papierlischwizer», Islamisierung und die Unterwerfung der Schweiz durch die «aufgeblasenen Bürokratie-Oligarchen aus Brüssel». LINK
2023 Glarner postet auf Twitter die Einladung zu einem Gendertag in Stäfa und fordert die Entlassung von Behördenmitgliedern und der Schulleitung. LINK
2023 Glarner veröffentlicht ein KI-generiertes Video, in dem er Nationalrätin Arslan fremdenfeindliche Aussagen in den Mund legt. Das Basler Zivilgericht stellt eine Persönlichkeitsverletzung fest. LINK
Kurz vor Mittag verliest der Bezirksgerichtpräsident den Freispruch: "Jemandem eine politische Gesinnung zuzuschreiben, die zur öffentlichen Wahrnehmung seiner Person im politischen Umfeld passt, muss erlaubt sein. Dazu sind Medienschaffende wie Herr Voigt nicht nur berechtigt, sondern in ihrer Funktion sogar berufen. Herr Voigt hat sich in guten Treuen gestützt auf eine Vielzahl ernsthafter Gründe für den gewählten Ausdruck entschieden.»
Erstinstanzlicher Freispruch also und 9200 Franken Entschädigung für Hansi Voigt. Glarner grummelt und stellt in Aussicht: Next station: Obergericht.
(Dieser Eintrag stützt sich auf die Berichte der anwesenden Journalisten der Aargauer Zeitung ( Toni Widmer) und des Tagesanzeigers (Markus Häfliger), sowie der Republik-Gerichtsreporterin (Brigitte Hürlimann).